Bildrechte: ueckendorf-aktuell.de W. Müller
Die Geschichte um die Bergbausiedlung Flöz Dickebank in Ückendorf
Die Geschichte von Flöz Dickebank ist eine Geschichte von Macht und Ohnmacht und von der Macht der Ohnmächtigen. Sie erzählt von kühlen Wirtschaftsinteressen und ihrer amtlichen Unterstützung, von Widerstand und der Kraft der Vielen. Es ist eine Geschichte, die tragisch hätte enden können, dann aber doch einigermaßen glücklich verlief.
Bericht Kordula Küper für Ueckerndorf-aktuell.org
Das Flöz Dickebank in Ückendorf die älteste erhaltene Arbeitersiedlung Gelsenkirchens ist, ist seinen Bewohnern zu verdanken: ihrem Einsatz für ihre Heimat. Erbaut wurden die 68 Vierfamilienhäuser zwischen 1872 und 1875, und schon wenig später um 14 Häuser erweitert. Flöz Dickebank galt als Mustersiedlung, waren doch alle Häuser mit Toiletten ausgestattet und an die Kanalisation angeschlossen. Lange Zeit ging alles seinen Gang. Man arbeitete hart und fand zu Hause sein kleines Glück.
Anfang 1972 aber war die Ruhe vorbei, als die Rheinisch-Westfälische Wohnstätten AG zum Zwecke der Gewinnmaximierung die eingeschossigen Häuser abreißen und durch 13-stöckige Hochhäuser ersetzen wollte. Die Stadt Gelsenkirchen hatte keine Einwände, machte gar 1973 Steuergelder für die Neubebauung locker. Parallel dazu begann man mit dem Leerziehen der Wohnungen. Die Bewohner der Siedlung erfahren erst im Mai, dass ihre Häuser abgerissen werden soll. Ein Recht auf Anhörung haben sie nicht, da der Stadtrat beschlossen hat, dass die Vorgänge in Flöz Dickebank keine Sanierungsmaßnahmen sind.
Doch so leicht lassen sich die Bewohner nicht mundtot machen: Im Mai 1974 organisieren sich die bisher vereinzelten Proteste als Bürgerinitiative Flöz Dickebank. Man vereinbart regelmäßige Treffen, lädt Stadtrat und Presse ein, geht in die Öffentlichkeit und findet breite Aufmerksamkeit. Währenddessen lässt die RWWAG die leergezogenen Häuser zumauern.
An allen Fronten
Dem öffentlichen Druck kann die Stadt nicht standhalten; sie leitet ein Sanierungsverfahren ein: Jetzt müssen alle Bewohner gehört werden. Damit ist erstmal auch der Hochhaus-Plan vom Tisch! Die Stadt lässt durch Architekten prüfen, ob die Häuser abbruchreif sind, die Bürgerinitiative bittet Architekturstudenten der Uni Aachen um eine Kontrolluntersuchung. Fast 60 Wohnungen stehen inzwischen leer. Die Bürgerinitiative kann zur Wahrung der Bausubstanz Luftlöcher in den zugemauerten Fenstern durchsetzen. Man kämpft um jeden Stein und an allen Fronten: Informationsveranstaltungen, Flugblatt-Aktionen, Bürgerversammlungen, Gespräche mit Politikern.
Im November 1975 liegt das Gutachten der Architekten vor: Die Häuser sind nicht abbruchreif, die Ulmenstraße 2-26 allerdings auch nicht erhaltungswürdig. Wenige Monate später die gute Nachricht aus dem Stadtrat: Flöz Dickebank bleibt und wird saniert. Der RWWAG muss sich damit abfinden, will aber – im Gegenzug – die östliche Ulmenstraße bis einschließlich Hausnummer 48 platt machen. Große Aufregung, großer Widerstand seitens der Bürger. Ihre Hartnäckigkeit macht Eindruck, und ab September gelten die Häuser Ulmenstraße 28-48 als erhaltenswert! Der schwarze Tag kommt im Dezember: Abriss der Häuser bis Hausnummer 26. Ruhe aber kehrt auch danach nicht ein, denn die RWWAG plant Modernisierungen in Flöz Sonnenschein und Flöz Dickebank. Die Bürgerinitiative setzt durch, dass sie nur dort durchgeführt werden, wo die Bewohner zustimmen. Ein ewiger Kleinkrieg: Instandsetzungen laufen schleppend und werden unvollständig ausgeführt.
Gut vernetzt
Um das Zubauen der Gärten zu verhindern, verlangen die Bürger von der Stadt einen Bebauungsplan. Er wird ihnen versprochen, erhält seine Gültigkeit aber erst durch neuerlichen Druck. Erkämpft werden muss auch die Erneuerung der Dachrinnen, ebenso wie die Neu-Eindeckung der Häuser in Dickebank-, Ulmen- und Virchowstraße. Inzwischen sind zahlreiche Initiativen zur Erhaltung „ihrer“ Zechensiedlungen in der Stadt in Aktion, eng vernetzt, auch wenn das damals noch nicht so hieß, wohl wissend, dass man nur gemeinsam stark ist. Auch mit den 23 Mieter-Initiativen in NRW trifft man sich regelmäßig zu Schulungen und Austausch.
Phasen der Ruhe sind allenfalls vorübergehend, immer wieder kracht es zwischen RWWAG und Bewohnern. So Anfang der 80-er Jahre, als eine Mieterhöhung drohte – mit der Begründung, dass die Siedlungshäuser wegen ihres je eigenen Eingangs eigentlich als Einfamilienhäuser zu bewerten sind. Einige wenige Mieter (vier!) wehren sich und scheuen auch nicht vor einem Prozess zurück. Sie gewinnen: Die Mieterhöhung ist unzulässig! Doch auch die RWWAG lässt nicht locker und koppelt 1984 einen neuen Fassadenanstrich an eine Mieterhöhung. In Widerstandsfragen inzwischen gestählt, lehnt die Bürgerinitiative Flöz Dickebank das Ansinnen natürlich ab. Die Malerarbeiten beginnen 1987 – ohne Bedingungen. 1989 einigen sich die Beteiligten auf eine langfristige Planung der Instandsetzungsarbeiten der Häuser und der Außenanlagen.
–
Starke Gemeinschaft
Anfang der 90-er Jahre gewinnt das Thema ,Nachverdichtung‘ an Bedeutung, was in und um Flöz Dickebank sofortige Abwehrreflexe auslöst. Die Forderungen der Bürgerinitiative aber bleiben moderat: Genutzte Gärten und Gemeinschaftsflächen sind tabu, über ungenutzte Flächen kann man reden. Und weil sich die kämpferischen Bürger der Siedlung einigen Respekt erworben haben, erreichen sie ihr Ziel diesmal ohne langjährige Auseinandersetzungen.
Zwar ist die Bürgerinitiative aus dem Widerstand geboren, doch war ihren Mitgliedern immer auch die Siedlungsgemeinschaft ein Anliegen, die zwischen 1990 und 1993 auch der ,Siedlungskurier‘ stärkte. Über viele Jahre richtete man das ehemalige Waschhaus in Eigenleistung, mit viel Herzblut und mit eigenem Geld zu einem Mieterhaus her: Das Heini-Wettig-Haus, posthum benannt nach einem führenden Mitstreiter der Bürgerinitiative, ist zu einem beliebten und gut besuchten Treffpunkt, Versammlungs- und Veranstaltungsort in Flöz Dickebank geworden. Hier finden die Adventsbasare, Karnevalsfeiern und Seniorennachmittage statt – und die Sitzungen der Bürgerinitiative …
Wenn nicht anders gezeichnet Fotos:© W. Müller & W. Grupp
Keine Kommentare bisher